„Ein neues Zeitalter der Migration. Fluchtursachen zwischen Krieg, Umbruch und Lebensträumen“ war eine Tagung Ende 2017 in der Evangelischen Akademie Bad Boll überschrieben. Schwerpunkt war das Horn von Afrika. Hildegund Opitz-Jäger vom Freundeskreis Asyl Ostfildern, die eine Gruppe von Eritreern in Nellingen begleitet, und Habteab Gebremaria aus dieser Gruppe haben daran teilgenommen.

Schon die Formulierung des Tagungsthemas (ein neues Zeitalter) zeigte an, worum es ging. Flucht und Fluchtbewegungen wurden unter der These: „Migration ist ein normales Phänomen menschlicher Gesellschaften“ eingebettet in größere Zusammenhänge, geschichtliche wie geographische: Frühere „staatliche“ Gebilde (Fürstentümer und Bauerngemeinschaften) am Horn von Afrika und ihre Rechtssysteme, Kolonialzeit und Befreiungskampf, Situation in den Staaten der Region heute sowie Religion und Flucht. Weiter  ging es um Migrationsgeschichten in Deutschland und Europa, das nicht erst in der Gegenwart besondere Verhältnis Deutschlands und Europas zu Äthiopien, das Auswärtige Amt und seine Gesprächsbemühungen in der Region sowie Flucht und wirtschaftliche Interessen der eritreischen Regierung. Auch der Flüchtlingsbegriff wurde definiert: „Flüchtlinge sind alle, die abhauen und zwar aus objektiven Gründen und nicht, weil sie ihre Frau nicht mehr aushalten“: Diese Zwangssituation gilt es zu erkennen.

Sehr konkret ging es um die Zwangsmobilisierung in Eritrea: Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien wurde nicht mehr demobilisiert und jährlich kommen neue Rekruten dazu. Das heißt, die jungen Menschen in Eritrea werden in einer Art Zwangsjugend festgehalten, sie können keine Familie gründen, ihre Familie nicht ernähren. Und sehr konkret und unter die Haut gehend waren die Geschichten von Flüchtlingen und versuchten Fluchten.

Mehrere Referate standen auf dem Programm. Allein drei von diesen hätten mit ihren Informationen und ihrem Diskussionspotential je eine Tagung locker gefüllt (Dr. Nicole Hirt, Hamburg, Prof. Dr. Wolbert Smidt von der Mekelle Universität Äthiopien, Prof. Dr. Magnus Treiber, München); zwei dieser Referenten waren Ethnologen mit sehr weitem interdisziplinären Horizont. Ein Referent hatte wegen Krankheit sein Referat schriftlich geschickt. Und mit einer Videobotschaft appellierte Dr. Lij Asfa-Wossen Asserate („Die neue Völkerwanderung“) an eine gemeinsame kulturelle und wirtschaftliche Potentialentfaltung von Afrika und Europa.

Etwa 40 Prozent der Teilnehmenden waren Eritreer aus allen Altersgruppen, zum Teil hier geboren. Eine heftige Diskussion nach dem Referat eines Referenten aus ihren Reihen zeigte den restlichen Teilnehmenden, wie kompliziert die Einschätzung der Lage in Eritrea ist.